Sonntag, 27. November 2011

Runenzeit

Ich überlege ja immer, wie man auf die Idee für eine Geschichte kommt und suche nach versteckten Hinweisen, die einem dann das Aha-Erlebnis geben: Das war es bestimmt, was ihn auf die Idee gebracht hat: der Fund der Bronzeschale, oder: die Varusschlacht, die vor zwei Jahren ihr 2000-jähriges feierte mit opulenten Köstumschlachten bei Kalkriese, oder: zufällig beim Geschichtssurfen entdeckte Hinweise auf eine ungewöhnliche Namensgebung und Herkunft des adoptierten Chreruskerfürsten,  oder: wundersame Funde von zweitausend Jahre alten Metallteilen, die modernen Patronenhülsen mit Stanzung und Prägung ähnlich sind, oder aber: das Entdecken eines kleinen esoterischen Ladens in einem Bremer Vorort mit dem Namen "Runenzeit", der einen auf der Fahrt nach Hause zu hanebüchenen Geschichten inspiriert, wie: Die Verkäuferin hätte auch gut eine alte Hagedise sein können.
Ganz gleich was es war, vielleicht auch nur das, was mich selbst seit jeher das Schäfchen zählen vergessen lässt: die Vorstellung, die Welt sehen, hören, riechen und schmecken zu können, wie sie zu Zeiten ihrer Wende war, bevor sie dessen Sinn oder Unsinn für die Welt kannte.
Kurz, noch nie hat mich eine Geschichte so gefesselt, begleitet und in ihren Bann gezogen, wie die Runenzeit-Trilogie von Mark Bredemeyer. Und man spürt, dass Mark genauso gefesselt war von seiner Geschichte. Er hatte was zu erzählen und er wollte die Menschen mit seiner Geschichte genauso begeistern, wie er mit jedem Schritt, die er sich tiefer hineinverdachte davon begeistert war. Man hat das Gefühl, sich darauf verlassen zu können, dass Mark vor Ort war und alles genau untersucht und angeschaut hat, dass alles stimmt und Hand und Fuss hat, so intensiv scheint er sich um Authenzität und Recherche bemüht zu haben.
Schließlich hat man das Gefühlt, selbst dort zu sein und die Figuren um Leon und Frilike, Julia und Werthliko, Bliksmani, Skrohisan, Ingimundo, Paulus und Bruno, um nur wenige zu nennen, sind lebendig. Sie begleiten einen in den Lesepausen und man schlägt das Buch wieder auf, weil man unbedingt wissen will, wie es ihnen geht und was sie gerade so machen, so als würde man einen guten Freund anrufen, der gerade eine Backpacker-Tour durch Mittelamerika macht. Man ist richtig in Sorge und man freut sich, wenn sie die richtigen Entscheidungen treffen und leidet mit, wenn sie es leider wieder mal nicht getan haben und in die nächste lebensbedrohliche Scheiße gestolpert sind.

Das erste Buch hatte ich bei einem kleinen Ausschreiben des Verlages gewonnen. Hatte es nach kurzem Überfliegen des Prologs zunächst wieder weggelegt unter: hoffentlich nicht so esoterisch, mal schauen.
Dann, als es an der Reihe war und Leon endlich durch das grüne Feuer gefallen war, konnte ich es nicht mehr weglegen. Ich gebe zu, es gab noch eine kleine Buchpause dazwischen. Dann aber habe ich mir beide Teile direkt bei Mark bestellt, mit Widmung (erfolgreich entziffert!) bekommen und in einem Rutsch durchgelesen. Ein fantastischer, spannender und lehrreicher Rausch durch die Runenzeit, durch das Land der Chauken bis hinunter zu den Chatten (so grausig waren sie bestimmt nicht, bin ja selbst einer) und Moguntiam, dem heutigen Mainz. Wenn man die Reise mit macht, kann man in einfachen Hütten am Aha Stegili leben, Schwerter schmieden, lernen wie man Wasser holt, schöne Frauen kennen lernen, Römer an der Nase herum führen, großen Schlachten beiwohnen, seinem Onkel begegnen, Helgoland ansegeln, von Langobarden gefangen genommen werden, riesige römisch Flotten sehen, in einem Sklaventreck ganz Germanien durchwandern und über den alten Rhein, vorbei an Bingen, der Loreley und den Ubiern in Köln wieder nach Hause schippern.
Ein Wahnsinn!!! Was für ein Tripp!

Drei kleine Sachen habe ich dennoch:

1. Wenn Leon das erste Mal das klarste Wasser trinkt, das er bis dahin in den Mund bekommen hat, dann will ich wissen wie es schmeckt!

2. Im zweiten Buch geht einem Leon ein bisschen auf den Keks, so sehr dominiert er die Geschichte mit seinem Drang, Frilike wieder zu finden. Nicht nur, das Paulus vollkommen vergißt, warum er überhaupt hinter Leon her war, nämlich um herauszufinden, was mit Julia passiert ist, auch Werthliko lässt Julia einfach zu Hause mit dem Kind sitzen, um Leon selbstlos zu begleiten. Kann mir schwer vorstellen, dass die resolute Julia das einfach so zulässt. Ich hätte mir gewünscht, Julia wäre mit Werthliko zu der Hütte mit gekommen und es hätte ein klärendes und beruhigendes Gespräch zwischen allen Anwesenden gegeben.

3. Ich bin mir nicht sicher, ob Mark wirklich am Brückenkopf in Mainz-Kastell war (gehe aber eigentlich davon aus), aber ich meine, man kann von dort nicht bis zur Mainmündung schauen.
Außerdem war ich überrascht, dass sie gerade mal in Bingen angekommen waren (quasi ein Nachbarort von Mainz), um wegen der Unschiffbarkeit von Bord zu gehen. Man hatte das Gefühl, sie waren schon Stunden unterwegs.

Aber das sind wirklich nur Kleinigkeiten, die Bredemeyers Gesamtwerk in keinster Weise einschränken.

Ich möchte die Trilogie jedenfalls nicht mehr missen und gebe eine eindeutige Leseempfehlung dafür ab!



Mark Bredemeyer "Runenzeit-Trilogie"
Band 1 "Im Feuer der Chauken"
Band 2 "Krieg um Germanien"
Band 3 "Der Aufstieg des Arminius"
Dresdner Buchverlag
Verlagsseite
Autorenseite


PS: ich habe die Rezension jetzt so runterschrieben, ohne noch mal die genauen Namen nachzuschlagen. Falls ich mich an der einen oder anderen Stelle mit einem Buchstaben vertan haben sollte, bitte ich das zu entschuldigen.

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